03/10/2008 - Gott sei Bank, der Finanzplatz ist gerettet! (n° 715)
So schnell kann es gehen. Brüsteten sich Bokassa und sein Finanzknecht Luc Bieder noch vor wenigen Wochen, dass der Finanzplatz stabil sei, weil die Geschäftsbanken hier zu Lande besser aufgestellt seien, als die Investmentbanken der USA, so ließen der drohende Zusammenbruch und die Verstaatlichung der Fortis sowie die Schwierigkeiten der Dexia-BIL diese schöne Illusion schnell platzen.
Herz-Jesu-Marxist Bokassa
Bokassa betätigt sich neuerdings als harscher Kritiker des Neoliberalismus, und sei es nur, um die frühere Politik des laisser-faire und der Deregulierung seiner Regierung vergessen zu machen. So wenden sich Politiker, und es wird alles gut: „Notre sort est entre de bonnes mains. Pour une part non négligeable, le pari qui nous reste à faire est en effet de compter sur un retournement rapide et enthousiaste de nos élites, pour qu’elles changent les paroles des chansons qui les maintiendront au pouvoir.“ (Le Monde Diplomatique, September 2008). Bokassa ist schließlich nicht lebensmüde und möchte wiedergewählt werden. Wenn’s sein muss, auf der Liste der Kommunistischen Partei.
Einmal hin und zurück
Jeannot Knéckeg ist nicht nur ein Scherzkeks, sondern im Nebenberuf auch noch Wirtschaftsminister. Am Dienstag meldete das Tageblöd: „Krecké glaubt nicht, dass die Regierung bei der Dexia in eine ähnliche Situation kommt.“ Da hatte die Regierung bereits beschlossen, sich mit 376 Millionen Neuro an der Dexia zu beteiligen, um den Vertrauensschwund der Bankkunden zu bekämpfen. Tagelang hatten Bankkunden ihr Geld abgehoben und (teilweise in Plastiktüten) zur Sparkasse getragen, wo man sie mit offenen Armen empfing. Die Sparkasse verleiht dieses Geld nun aber an Luc Bieder, der es wieder artig zu Fortis und Dexia zurückträgt. Allerdings nicht in Plastiktüten, sondern über den Weg einer kleinen Überweisung.
Fortis gerettet, Dexia selber schuld
Als am Montag Bokassa, Schatzminister Bieder und Wirtschaftsminister Knéckeg im Wirtschafts- und Finanzausschuss des Parlaments erschienen, herrschte zwischen den Parteivertretern eitle Eintracht über das von der Regierung beschlossene Rettungspaket zugunsten der Fortis. Die Finanzspritze schien allen geboten, weil die frühere Banque libérale eng mit der einheimischen Wirtschaft verbunden ist. Die meisten nennenswerten mittelständischen Unternehmen, manche Gemeinden und viele Kleinsparer haben ihr Geld bei der Fortis geparkt oder unterhalten mit ihr Geschäftsverbindungen. Ein Zusammenbruch hätte laut Bokassa einen Dominoeffekt und sogar ein Destabilisierung des schönen Finanzplatzes zur Folge gehabt. Der Gewaltherrscher, der sich kürzlich als „der letzte Kommunist“ und auch gerne mal einen Patronatsvertreter auf dem Butterbrot verspeist, traute sich allerdings nicht, personelle Konsequenzen im luxemburgischen Fortis-Management anzukündigen. Was die Dexia betrifft, deren Aktienkurse Anfang der Woche in den Keller purzelten, so äußerte die Regierung die Ansicht, dass sie an ihrer Krise selbst schuld ist, da sie als Bittstellerin bei der belgischen Regierung und mit ihrer angekündigten Kapitalerhöhung geradezu auf ihre Liquiditätsschwierigkeiten hingewiesen und Börsenspekulationen ausgelöst habe.
Maastricht-Kriterien ade?
Zum Ritual bei der Vorstellung des Staatshaushalts gehört die alljährliche Polemik des Patronats. Wenn die Handelskammer der Regierung Lektionen in Sachen Staatsbudget erteilt, kann sich Bokassa künstlich über das Patronat aufregen und den Arbeitersohn herauskehren. So geschehen vergangene Woche, als er dem Direktor der Handelskammer ins Stammbuch schrieb, dass der sich gefälligst um die Privatwirtschaft kümmern möge und nicht um die Staatsfinanzen. Laut Bokassa ist die Zeit des schlanken Staates und der Steuergeschenke an die Unternehmer vorbei. Ihm tut es bestimmt leid, dass er eine Steuerreform versprochen hatte. Denn wenn es mit den Bankenzusammenbrüchen so weiter geht und die Finanzinstitute wegen hoher Rücklagen immer weniger Steuern zahlen, leidet der Staat spätestens bei Vorlage des Haushalts 2010 an Magersucht, und es ist kein Geld mehr da, um den Unternehmern unter die Arme zu greifen. Geschweige denn, um Sozialpolitik zu betreiben. Schon jetzt stehen Bokassa und Bieder der Angstschweiß auf der Stirn, wenn sie daran denken, dass sie dann die Maastricht-Kriterien, wonach das Haushaltsdefizit maximal 3 % des Bruttoinlandprodukts betragen darf, nicht mehr erfüllen.
Talfahrt als Vorbild für Waffeljangs Lasep?
Während Bokassa, Bieder und Wirtschaftsminister Jeannot Knéckeg den Finanzplatz retteten, gönnte sich Witzepremier Jean Waffelborn am Sonntag eine Radtour durchs Ösling. Er will schließlich fit sein für den Wahlkampf. Am gleichen Tag strahlte der Deutschlandfunk übrigens ein Interview mit Waffeljang aus, das bei der UNO-Vollversammlung in New York aufgenommen worden war (dorthin war der Außenminister allerdings geflogen – nicht geradelt). Und man höre und staune: Waffeljang wünschte seinem Busenfreund, dem Kanzlerkandidaten Frank Walter Steinhäger viel Erfolg und seiner SPD ebenfalls. Denn vom Zustand der SPD hänge auch der Erfolg der übrigen sozialdemokratischen und sozialistischen Parteien in den Nachbarländern ab. Gleichen abends aber erlitt die SPD gemeinsam mit der CSU eine empfindliche Wahlniederlage in Bayern, und in Österreich verlor die SPÖ ebenfalls die Parlamentswahlen. Waffeljang hat das mit der Vorbildfunktion der SPD bestimmt nicht auf Luxemburg und seine Lasep bezogen. Manchmal redet er so schnell wie er Fahrrad fährt.
Datenschutz im Polizeivisier
Für den 8. Oktober hat Patrick Digestif (CSFaul), der Vorsitzende der juristischen Kammerkommission, panikartig eine Sitzung einberufen, zu welcher der Generalstaatsanwalt, der Polizeidirektor und der Direktor der Polizeigeneralinspektion eingeladen sind. Auf dem Prüfstand steht dann das erst am 22. September in Kraft getretene Gesetz über den Zugang der Magistraten und Polizeioffiziere zu persönlichen Daten von Bürgern. Aus Datenschutzgründen hatte die Kommission den Gesetzestext von Justiz- und Polizeiminister Luc Bieder dahingehend geändert, dass nur Polizeioffiziere auf solche Daten zugreifen können, nicht aber Polizeibeamte der unteren Laufbahnen. Auf ihrem Patronatsfest hatte die Polizei daraufhin schweres Geschütz aufgefahren, weil man aufgrund der neuen Gesetzeslage Probleme hat, die Daten für das Verschicken normaler Strafzettel zu erfassen. Luc Bieder triumphierte natürlich und warf der Kammerkommission vor, kontraproduktive Flickarbeit an seinem tollen Polizeigesetz geleistet zu haben. Dabei wollte die Kommission doch nur den Missbrauch vereiteln. Nun soll geklärt werden, ob die praktische Arbeit der Polizei tatsächlich behindert wird oder ob es sich um einen Vorwand handelt, das Gesetz wieder zu kippen.
Ein Zwerg will oben bleiben
CFHell-Generaldirektor Alex Krämerseele will in den Ruhestand treten, doch Transportminister Lucien Jux hat ihn dazu bewegt, noch bis nach den Wahlen von 2009 im Amt zu bleiben. Der Grund: Der kleine Lucien weiß nicht, ob er danach noch zu Ministerehren gelangt, und als Ex-Minister wäre ihm der Posten des Eisenbahndirektors ziemlich sicher. So hätte er sich abgesichert, und es schriebe sich ein solcher Postenschacher unter „Kroden a Kroden“ trefflich in die schöne Tradition zozialistischer Seilschaften bei der Eisenbahn ein. Erinnern wir uns: 1970 begann Lucien Jux seine Karriere als einfacher Eisenbahner, der zwischen Luxemburg und Arlon hin- und herfuhr, um die Zollformalitäten zu erledigen. Als er dann im Expéditonnaire-Examen durchfiel, putschte er im Nationalbüro der Jusos und bekam seinen ersten Posten als Sekretär der Arbeiterjugend. Danach landete er beim O-Gebell, wurde Minister und könnte nun auch Eisenbahndirektor werden. Ein schöner Karrieresprung.
Führungswechsel bei der Hohen Körperöffnung
An der Spitze des Staatsrats ist ein Wechsel angesagt. Präsident Alain Schlaumeyer (Lasep) muss nächstes Jahr seinen Posten zur Verfügung stellen, da er dann die maximale Amtsdauer von 15 Jahren erreicht haben wird. Als Nachfolger ist Georges Schnöder, der Direktor der Generalinspektion der Sozialversicherungen (IGSS) im Gespräch. Der gescheiterte Bettemburger CSFaul-Lokalpolitiker blockiert auf seinem Posten bei der IGSS so gut er kann alle Vorstöße, die in Richtung einer Individualisierung der Pensionsrechte gehen. Sollte er den Präsidentenposten im Staatrat erhaschen, wird möglicherweise ein gewisser Paul Shit (ein rabenschwarzer Quereinsteiger in der obersten Laufbahn im IGSS) dortselbst Direktor. Shit war früher mal die rechte Hand von Caritas-Direktor Erny Gilli, mit dem er gemeinsam am Aufbau der Struktur Hëllef Doheem arbeitete, die von den Zuwendungen aus der Pflegeversicherung lebt. Wenn man bedenkt, dass die IGSS via ihre „cellule assurance dépendance“ Gelder für die Pflegeversicherung verteilt und gleichzeitig die Pflegedienstleister kontrolliert, dann schließt sich der schwarze Kreis und es bleibt alles in der schwarzen Familie. Die Caritas als Empfängerin der Gelder aus der Pflegeversicherung darf frohlocken.
Fragt sich nur, warum Gesundheits- und Sozialminister Bardolina della Castretta diesem tollen Treiben tatenlos zusieht. Oder bekam die Lasep als Gegenleistung andere Posten versprochen?
Die Effizienz des finnischen Amoklaufs
Mit der Effizienz ist es so eine Sache. Kürzlich haben die Klugscheißer von der Handelskammer das luxemburgische Schulwesen unter die Lupe genommen und ausgerechnet, dass die öffentlichen Gelder, die in das hiesige Bildungssystem fließen, nicht gut angewendet würden. Das Schulsystem in Finnland komme mit weitaus weniger Steuergeldern aus und sei viel leistungsfähiger, monierten unsere Experten von der Handelskammer. Tags darauf kam dann die Nachricht von jenem 22-jährigen Amokläufer, der in einer finnischen Berufsschule ein Blutbad anrichtete und dabei zehn Menschen abknallte, um sich dann selbst zu töten. Es war dies übrigens nicht der erste Massenmord im hochgelobten Pädagogik-Paradies Finnland, in dem offenbar doch nicht alles Gold ist, was glänzt. Sogar Schulstress, Jugendgewalt und Drogenprobleme soll es dort geben. Und natürlich eine beeindruckende Effizienz bei Amokläufen.